Das Königlich Bayerische Amtsgericht

Freilicht-Festspiele Vohburg Sommer 2015

Das Königlich Bayerische Amtsgericht

Vorbemerkung:

Unser Stück spielt im Sommer 1912, also in der „guten alten Zeit“, in Gaisbach, einer kleinen, gemütlichen Stadt in Bayern. Gaisbach hat nicht nur eine Brauerei mit einem schönen Biergarten, sondern ist auch Sitz des Königlich Bayerischen Amtsgerichts, das zuständig ist für die Gerechtigkeit in Gaisbach und in den beiden Nachbargemeinden Dürling und Kirchzell.

Für die Bürger dieser Gemeinden sind Verhandlungen vor dem Amtsgericht immer auch Festtage, weil die Straftaten und Streitigkeiten meistens eine Art Theaterstück, manchmal sogar eine richtige Gaudi für die Zuschauer darstellen.

Chef des Gerichts ist schon lange Jahre Amtsgerichtsrat August Stierhammer. Er wird in seiner Arbeit unterstützt vom Gerichtsschreiber Haberkorn und vom Wachtmeister Blasius Kramer.

Bedeutende Persönlichkeiten in Gaisbach sind auch der Brauereibesitzer Joseph Faistl und sein Freund Rufus Hingerl, Redakteur der einzigen Zeitung für Gaisbach und Umgebung.

Eine wichtige Rolle gleich zu Beginn unseres Stückes spielt die Dürlinger Feuerwehr, die manchmal sogar dann löscht, wenn es gar nicht brennt. Aber dann löschen die Jünger des Heiligen Florian halt gleich ihren eigenen Durst. Und wenn es mal zu lange gar nicht brennen
will, sollen die wackeren Feuerwehrmänner schon selbst für einen Einsatz gesorgt haben, sagt man …
Dafür gibt es in Bayern sogar eine historische Vorgeschichte:
Als um 1910 der Bierpreis pro Maß um 2 Pfennige erhöht wurde, führte das zu einer Revolution, bei der auch Brandstiftung als Druckmittel gegen die „Obrigkeit“ eingesetzt wurde.

Ähnlichkeiten Gaisbachs mit der Stadt Vohburg, die bis 1803 rund 500 Jahre Sitz eines Landgerichts war, oder Ähnlichkeiten der Dürlinger Feuerwehr mit Vohburger Ereignissen sind keineswegs Zufall sondern durchaus beabsichtigt.


Szene 1 (im Biergarten)
Die Dürlinger Feuerwehr 


Es ist Gerichtstag. Die Leute strömen aus der ganzen Umgebung nach Gaisbach. Selbstverständlich kehren sie vor der Gerichtsverhandlung noch im Biergarten der Brauerei ein, um sich eine frische Maß zu genehmigen.

Da fährt überraschend die Dürlinger Feuerwehr vor, obwohl es keinen Alarm gegeben hat und auch weit und breit nirgends brennt. Wir erfahren dabei einige „Heldentaten“ dieser wackeren Truppe des Vize-Kommandanten Friedmann.

Wo die Feuerwehr auftaucht, ist auch der radelnde Reporter Rufus Hingerl nicht weit. Doch diesmal erlebt er keine Sensation, sondern nur einen höchst merkwürdigen Geschäftsabschluss des Brauereibesitzers mit dem Vize-Kommandanten.

Ein Trompetensignal kündigt den Beginn der ersten Verhandlung an. Die Leute verlassen den Biergarten und strömen ins Gericht. 


Szene 2 (im Gerichtssaal)
Der Pfarrgockel 


Zur Verhandlung steht ein schwerer Fall von Tierquälerei. Die Pfarrerköchin von Dürling soll den Gockel ihrer Nachbarin misshandelt, eingesperrt und zuletzt getötet haben. Ein wunderbarer Fall für unseren Amtsgerichtsrat, der neben der Klägerin gleich eine ganze Reihe von Zeugen aufmarschieren lässt, darunter auch den Bürgermeister von Dürling. Die Zuschauer im Gerichtssaal haben ihren Spaß und versuchen dabei, mit Zwischenrufen in den Verlauf des Prozesses einzugreifen.

Wir lernen bei dieser Verhandlung auch den neuen Staatsanwalt kennen, der aus Berlin kommt und sich an die Sitten und Gebräuche in Bayern erst einmal gewöhnen muss. Das hindert ihn aber nicht daran, mit seinem Strafantrag zu zeigen, dass ab jetzt auch in Gaisbach ein schärferer, ein preußischer Wind wehen soll.

Das Urteil gegen die Pfarrerköchin macht deutlich, dass Tierquälerei eine Straftat ist, selbst wenn es dabei um den Erhalt der Moral im Pfarrgarten geht. Es zeigt aber auch, dass die Dürlinger zusammen halten, wenn der gute Ruf ihrer Pfarrgemeinde auf dem Spiel steht. 


Szene 3 (im Biergarten)
Der neue Staatsanwalt


So ein Prozess macht hungrig und durstig. Deshalb geht es für alle Beteiligten und die Zuschauer des Prozesses nach dem Urteil zurück in den Biergarten.
Auf dem Weg dorthin erfahren wir endlich, wer die Pfarrerköchin angezeigt hat. Und wir erfahren, wie es kam, dass die gute Ursula vor vielen Jahren nicht ins Kloster ging, sondern Köchin im Dürlinger Pfarrhof wurde. Wir hören auch, was es mit dem Zölibat der katholischen Kirche auf sich hat und dass es auch in anderen Religionen kluge Menschen gibt.

Nach der Ankunft im Biergarten lässt es sich der Bräu nicht nehmen, dem neuen Staatsanwalt aus Anlass seiner ersten Gerichtsverhandlung in Bayern einen wür-digen Empfang zu bereiten. Die Volkstanztruppe von Gaisbach darf dabei nicht fehlen. Dann ist 

P A U S E

Szene 4 (im Biergarten)
Das bayerische Credo


Die nächste Verhandlung steht an. Die Gäste aus dem Biergarten sind schon im Gerichtssaal und haben sich die besten Plätze gesichert, denn drei prominente Gaisbacher Bürger sind wegen schwerer Verbrechen angeklagt. Die Anklage lautet: Entführung, Körperverletzung und Freiheitsberaubung. Das darf man sich natürlich nicht entgehen lassen.

Unser Amtsgerichtsrat nutzt diese Gelegenheit, dem neuen Staatsanwalt vor Beginn des Prozesses noch schnell das bayerische Credo beizubringen. Es lautet „Leben und leben lassen“. 


Szene 5 (im Gerichtssaal)
Die Entführung



Im Gerichtssaal steht eine große Kiste, mit der sonst Schweine zum Schlachthof nach München transportiert werden. In diese Kiste sollen die Angeklagten, der Metzgermeister Praxenthaler, der Sattlermeister Schexmeier und als Anstifter der pensionierte Nachtwächter von Gaisbach, Vitus Dengl, ihren Freund, den Viehhändler Korbinian Held gesperrt und ihn nach München entführt haben. Klägerin ist die Ehefrau des Viehhändlers, die neben einer saftigen Strafe für die Täter auch noch ein stattliches Schmerzensgeld für ihren Mann fordert. Und als Ursache prangert sie die „übermäßige Sauferei der Mannsbilder“ an.

Die Zuschauer im Gerichtssaal sind von dem Spektakel begeistert.

Die Angeklagten erklären sich für völlig unschuldig, das Ganze sei nur ein Scherz am Ende eines feuchtfröhlichen Abends gewesen.

August Stierhammer versucht mit Erfahrung, Geduld und mit Hilfe von Zeugen, darunter der Bahnhofsvorstand, die Hintergründe der Geschichte aufzudecken. Aber erst als neben der Kellnerin Walli auch noch der Brauereibesitzer Joseph Fäustl seine Aussage macht, wird die Geschichte klar und der Prozess geht seinem Ende entgegen. 


Szene 6 (im Biergarten)
Der neue Verein


Der bayerischen Gemütlichkeit droht große Gefahr. Das befürchtet jedenfalls unser Zeitungsmann Hingerl, nachdem die ausschließlich weibliche Vorstand-schaft des neuen „Vereins zur Ausrottung des Alkoholismus“ von ihm verlangt, im Gaisbacher Kurier einen Artikel abzudrucken, der alle Frauen zum Kampf gegen das „Saufen“ der Männer aufruft.

Auch diese Geschichte hat einen historischen Hintergrund. Etwa um 1900 wurden, ausgehend von Bremen, viele Frauenvereine gegen den Alkoholkonsum gegründet. Das „Komasaufen“ ist also keine Erfindung unserer Tage. 


Szene 7 (im Amtsgericht)
Die Anzeige


Zu früh hat sich unser Amtsgerichtsrat auf einen ruhigen Feierabend gefreut. Der Staatsanwalt kritisiert, er sei gegen die Angeklagten bei der Entführung viel zu milde gewesen. Es liegt nämlich gegen diese Herren schon wieder eine neue Anzeige vor. Der Herr Polizeikommandant wirft ihnen Widerstand gegen einen Polizeibeamten und Diebstahl vor.

Um die Sache schnell aufzuklären, schlägt der Staatsanwalt eine neue Methode aus Berlin vor: einen Lokaltermin. Dabei sollen alle Beteiligten zur Klärung der Vorwürfe die Sache am „Tatort“, also im Biergarten, noch einmal nachspielen.

Szene 8 (im Biergarten)
Die Polizeistund’


Im Biergarten wird schon gefeiert. Die „Entführer“ und ihr Opfer haben sich versöhnt. Die Feuerwehrkapelle begleitet den zweiten Auftritt der Volkstänzer.

Da unterbrechen Amtsrichter und Staatsanwalt den Abend. Sie lassen sich von allen Beteiligten die Ereignisse vorspielen, die zur neuen Anzeige geführt haben. Dabei stellt sich heraus, dass es eigentlich um das Einhalten der Polizeistunde ging, mit der es ein junger diensteifriger Polizist sehr genau genommen hat. Aber ein echter bayerischer „Stammtischler“ lässt sich halt nicht so einfach eine Ordnungsstrafe aufbrummen.

Der Fall führt durch ein überraschendes „Geständnis“ des Brauereibesitzers, der dabei eine heimliche Liebesgeschichte des Polizisten aufdeckt, zu einem guten Ende mitsamt einer Verlobung. Und so kommt es auch diesmal im „Königlich Bayerischen Amtsgericht“ zu einem guten


E N D E